Sonntag, 26. Mai 2013

Vom sinisiert - 中国化了 - sein.



Im Sommerpalast

Liebe Freunde der guten Lebensmusik,

das Leben in China plaetschert vor sich hin und mittlerweile folge ich dem Lauf des chinesischen Lebens ohne grosses Murren. 
Im Verkehr fahre ich wie jeder gegen die Fahrtrichtung, da es viel sicherer ist als sich an die 
"Verkehrsregeln"zu halten. 
Im Restaurant schreie ich lauthals nach der Kellnerin, weil es sich so gehört, wenn Chinesen mich anstarren, starre ich zurück.
Auf Deutsch zurueckzuschimpfen, wenn der Chinese loslegt, klingt angsteinfloessender. 
Das habe ich schon frueh gelernt.


Klingt komisch? Ist ein bekanntes Phänomen. 
Damals, in Bremen, diktierte mein Chinesisch Dozent: "zhōngguóhuà - 中国化 - sinisieren". Sinisieren? "Die Welt und das Leben chinesisch machen", grinste mein Dozent mit diesem typischen chinesischen Akzent, "chinesisch werden".
Ah ja.


"Ein AUS-LÄN-DER!!!"

Ob ich jetzt chinesisch bin?
Ich glaube nicht. 
Zwar haben Ramona und ich jetzt schon Angst uns zu sehr an die chinesischen Tischsitten gewoehnt zu haben, zurueck in Deutschland unsere Suppe zu laut zu schlürfen und beim Anblick von Messer und Gabel zu verzweifeln, aber viel ist so geblieben, wie immer.
Und das ist Pekings Problem.
Wenn wir feiern gehen wollen, fahren wir nach Sanlitun, David Guetta hielt vor kurzem noch sein Konzert an der grossen Mauer ab, wenn wir in den Park gehen, dann geht auch das, nur dass wir von vielen Chinesen fotografiert werden. Chinesenanteil, derer, die es uns gleich tun? Maximal 10%.

Die liebste Ramona. 
Weggefährtin ins Fitnessstudio,
nach Qingdao, in die Clubs der Stadt, zum Shoppen,
 auf Mädelsabende und zu den Pekinger Hot Spots.

Seien wir ehrlich: Wir Auslaender leben hier in China in einer Parallelwelt. 
In Peking mehr als in Shanghai, und auch mehr als auf dem Land. 
Die Stadt besitzt einige Stadtteile in die sich eigentlich kaum Chinesen verirren, europäische Stadtteile, russische Stadtteile, afrikanische Stadtteile.

Awi, meine Shanghai-Diva.
Begleiterin seit unserer Studienzeit in Shanghai,
Teil des Guetta-Feier-Ensembles,
Kummerkasten und Telefonjoker.
David Guetta an der Großen Mauer.
Ein Event fuer waschechte Expats.
Und maximal 5% Chinesen.

Es ist schwer das "wirklich" chinesische Leben zu leben, so, wie ich es in Shanghai kennengelernt habe. Dort lebte ich, weit ab vom Schuss, im asiatischen Wohnheim meiner Uni.
Oft werde ich gefragt, ob ich zurück kommen werde und ich muss sagen: Ich weiss es nicht. Kurzweilig mit Sicherheit, aber auf Dauer? 
Hier leben und trotzdem im westlichen Supermarkt einkaufen? 
Morgens als erstes den Pollution Index checken muessen, um sicherzustellen sich nicht die Lunge zu vergiften, wenn ich das Rad nehme? 
Angst vor dem naechsten Lebensmittelskandal haben?
Ich weiss nicht.

Ich erinnere mich noch sehr an die Gastfreundschaft, die mich in anderen Teilen Chinas erwartet hat. Auch hier in Peking sind die Menschen sehr gastfreundlich, das soll man nicht falsch verstehen, aber man kommt mit ihnen viel seltener in Kontakt.

Mein Tor zur wirklich chinesischen Welt:
Meine Kolleginnen.

Ich freue mich daher umso mehr in zwei Wochen mit Anton eine ganz andere Region Chinas kennenzulernen. 
Es geht ja endlich wieder auf Reisen ueber die Feiertage.
Und dann irgendwann, nachdem mein Praktikum zu Ende ist, geht es in die verlasseneren Ecken dieses Landes, um das rudimentaere China zu entdecken und zu erleben. 
Wie gespannt ich darauf bin muss ich wohl kaum beschreiben.

Eines Tages, in 30 Jahren vielleicht, wenn unsere Kinder aus China wiederkehren und von diesem hippen, wohl entwickelten und hochmodernen Land berichten, in dem Chinesen den gleichen Stil wie sie selbst pflegen, bisweilen sogar Stilikonen sind, da werde ich lachen und ihnen erzählen, wie damals in China die Menschen auf die Strasse spuckten, wie sie mit Karren den Müll abholten und wie der Verkehr mir das Leben schwer machte. Vielleicht gibt es diesen Blog dann noch und sie werden lachen, wie Mama damals eigentlich aussah und welche Geschichten sie erlebte.

Zurueck aus dem Zukunftsgeschwelge sende ich euch Kuesse um den Globus bis zu euch vor die Tür,
Becks.

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